Der Schafstall des Paten – Die vorletzte Unterkunft des Mafiabosses Bernardo Provenzano
Das Nebengebäude des Schafstalls in der Nähe von Corleone scheint unbewohnt - doch irgendetwas geht dort vor. Angehörige der Mafiafamilie Provenzano werden gesichtet und der Stromzähler dreht sich. Seit Jahren wird die noch in Corleone lebende Familie Provenzano observiert, denn man ist sich sicher, dass diese Kontakt zum abgetauchten Capo hält.
Der Weg eines Plastikbeutels, der immer wieder aus dem Haus der Familie gebracht wird und dorthin zurückkehrt, führt schließlich auf die Spur. Verlässt darin saubere Wäsche das Haus und schmutzige kommt zurück? Als aus der Tür des vermeintlich verlassenen Stalls eine Hand nach diesem Beutel greift wissen die Fahnder, dass sie am Ziel sind. Hier hält er sich auf, der Boss der Bosse – Bernardo Provenzano, Spitzname "Der Traktor", seit 43 Jahren auf der Flucht.
Provenzano war der letzte Kopf der corleoneser Mafia, die im sogenannten zweiten Mafiakrieg die Macht über die sizilianische Mafia "Cosa Nostra" für sich beanspruchte, indem sie möglichst viele Mitglieder der anderen Clans ermordete.
Diese Brutalität hatte zwei Auswirkungen: erstmalig gab es Mafiamitglieder, die sich den Behörden stellten und zur Zusammenarbeit bereit waren, weil sie Angst um ihre Verwandten hatten. Sie führte jedoch auch zum Erstarken der Anti-Mafia-Bewegung, denn die Menschen auf Sizilien hatten einfach genug von Mord und Korruption.
Basta! Provenzano erkannte, dass die Mafia durch ihre hemmungslose Wüterei den Rückhalt auf der Insel verlor und verordnete ihr den Rückzug. Keine offenen Morde mehr, dafür Finanzgeschäfte und Unterwanderung der lokalen Ökonomie wie den Bausektor und Schutzgelderpressung.
Provenzano führte die Cosa Nostra auch aus dem Untergrund heraus und zwar ohne moderne Kommunikationsgeräte sondern mit Hilfe eines Systems von verschlüsselten Zettelbotschaften, den Pizzini, die klein zusammengefaltet über Umwege ihre Empfänger erreichen.
Die Straße, die zum Stall des Paten führt wurde umbenannt in "Via 11 Aprile 2006 arresto di B. Provenzano – mafioso" – Straße des 11. April 2006, der Tag, an dem der Mafioso Provenzano verhaftet wurde. Das Gebäude wird hoffentlich irgendwann für die Öffentlichkeit zugänglich sein und als Dokumentationszentrum der Anti-Mafia-Bewegung dienen.
Aber schon jetzt ist es interessant an diesem Ort zu stehen und sich vorzustellen, wie dieser skrupellose Mann dort wohl gelebt und mit kleinen Zettelchen seine kriminelle Welt regiert hat.
Provenzano saß bis 2014 im Gefängnis in Parma, wurde dann aufgrund verschiedener Erkrankungen in ein Mailänder Krankenhaus verlegt, wo er 2016 im Alter von 83 Jahren starb.
Wer sich für die Geschichte Provenzanos interessiert, dem sei das Buch "Der Pate – Letzter Akt" von Henning Klüver empfohlen.
Corleone hat zwar die schlimmsten Paten hervorgebracht, ist aber auch schon lange eine Hochburg der Anti-Mafia.
Im "Sizilien verstehen"-Artikel
könnt ihr die wechselvolle Geschichte der Stadt nachlesen und euch auf einen Spaziergang durch das heutige Corleone begeben. Dort erfahrt ihr auch, wo genau sich der Schaftstall des Paten befindet.
Den Ausflug nach Corleone könnt ihr prima von diesen Urlaubsorten aus starten:
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